Bäuerle Erich – Hexenwasser

Ein faszinierender Mensch, der es versteht Teile des Physikunterrichts in eine internationale Sprache ohne viele Worte zu übersetzten. Eine Sprache, die jeder spricht.

DR. ERICH BÄUERLE

Du bist Meeresphysiker und Diplom Ozeanograph. Wie kommt man dazu sowas zu werden?

Schon als kleiner Junge hat mich das Wasser immer fasziniert und magisch angezogen. Meine Eltern mussten alle möglichen Tricks anwenden, um mich vom nahegelegenen Bach fernzuhalten. Das Sprudeln, Gurgeln und Plätschern des klaren Wassers zog mich trotz Verboten immer wieder in seinen Bann. Erst der Herbst und die damit früher einsetzende Dunkelheit und Kälte schafften es, mich zur ausgemachten Zeit in die warme Stube zu treiben.
Später begann ich beim Tauchen, die Welt unter der Wasseroberfläche zu studieren und war ebenso fasziniert. Im Gegensatz dazu machte mich mein eher verstaubtes Studium der Physik in Tübingen nicht besonders glücklich. Oft hatte ich das Gefühl leere Formeln auswendig aufzusagen, welche ich nicht durch greifbare Erkenntnisse und echtes Verständnis erlernt hatte. Spätestens zu dieser Zeit ist mir aufgefallen, dass der aufgebaute Druck durch das Lehrpersonal die Studenten/Schüler viel zu oft daran hindert zu hinterfragen oder offen zu sagen, wenn Lehrinhalte nicht verstanden werden.
Mein Lebensweg bog mit dem Beginn des Ozeanographie Studiums in Kiel in eine neue Richtung ab. Ich sprang mit nur 12 anderen Studenten sprichwörtlich ins kalte Wasser des ersten Jahrgangs eines physikalischen Ozeanographie Studiums in Kiel. Schon nach kürzester Zeit waren wir als Hilfskräfte mit auf See und war ich meinem Lieblingselement nun schon sehr viel näher. Trotzdem war es nicht immer leicht: die Anforderungen waren hoch und Bedingungen waren schwer. Auch in diesem Lebensabschnitt fiel mir bei meiner intensiven, theoretischen Arbeit am Computer und dem komplexen und Mathematik belasteten Lehrstoff auf, dass ich, so wie viele andere Studenten, häufig nicht den Mut hatte zu hinterfragen, wenn ich etwas nicht verstand. Aus Angst vor einer schlechten Bewertung sagte man lieber auswendig gelernte Formeln auf, anstatt zu hinterfragen oder gar etwas Falsches zu sagen. Ich wusste schon zum Zeitpunkt meiner Promotion 1981, dass man an dieser Art und Weise des Unterrichts einiges besser machen und vereinfachen könnte. Denn die Praxis hinter den Formeln und Rechnungen war mehr als spannend.
Nun war ich also Diplom-Ozeanograph.

Wer braucht denn einen Ozeanographen / Meeresphysiker?

Die Einsatzbereiche sind sehr unterschiedlich. In den ersten Jahren nach meiner Promotion arbeitete und forschte ich am Institut für Meereskunde der Universität Kiel und beschäftigte mich mit Problemen des Nordatlantiks. Später war ich unter anderem an der Universität Konstanz tätig und forschte dort über die Auswirkung von Klima-Änderungen auf Seen.
Besondere Freude bereiteten mir immer meine Lehrtätigkeiten wie zum Beispiel an den Universitäten Kiel, Konstanz und Stuttgart und diversen Schulen, sowie die Arbeit als ehrenamtlicher Leiter des Instituts zur Erforschung und zum Schutz der Gewässer (IESGO)
Im Vergleich zu meinen früheren Professoren versuche ich, andere Ansätze und Zugänge zu Lehrmaterial zu finden und komplexe Themen soweit „runter zu brechen“ bis ein Jeder verstehen kann um was es geht. Ein Schlüsselerlebnis hatte ich bei einer Projektarbeit mit Kindern in Dänemark, als ich merkte wie viel unbefangener sie an Themen herangehen können und mit wie viel Freude und Spaß sie lernen, wenn kein Druck ausgeübt wird.
Im Laufe meines weiteren Berufslebens arbeitete ich bis heute hauptsächlich selbständig. Ich machte Umweltgutachten, betrieb eine Ausstellung über Wasserphänomene in Moislingen, baute ein Erlebnisfeld zur Wahrnehmung von Dynamik und Wellenvorgängen in Oslo auf, gestaltete den WasserKlangPfad beim Naturum Göhrde und 2014 dann das Blaue Wunder im Hexenwasser Söll. Momentan arbeite ich unter anderem an einem spannenden mobilen Konzept für Schulen.

Du hast das Blaue Wunder im Hexenwasser Söll mitgestaltet, -erfunden und -erschaffen. Was genau ist das Blaue Wunder?

Im „Blauen Wunder“ werden Phänomene des bewegten Wassers zur Anschauung gebracht.
Wir erleben das Wasser in unterschiedlichen Bewegungsformen:
– fließend – rotierend – schwingend – wirbelnd – tropfend – spritzend –
oftmals im Wechselspiel mit beweglichen oder starren Materialien (Luft, Lehm, Sand, Metall).
Die große Beweglichkeit des Wassers verleiht ihm die Fähigkeit, auf Beeinflussung sensibel zu reagieren. An diese Eigenschaft des Wassers wollen wir uns herantasten.
Die Exponate/Versuchsanordnungen im „Blauen Wunder“ ermöglichen es, Vorgänge zu initiieren, die beispielhaft für das Verhalten des Wassers sind. Aus der Anschauung und dem unmittelbaren Erleben ergeben sich Ansichten, Ahnungen und Einsichten. Die Experimente sollen letztendlich eine Brücke schlagen zu den Erscheinungsformen des Wassers in der Natur.
Schon das Wort Wunder zeigt, worum es hier geht. Wundern kommt von winden, wenden, verwirren und verflechten. Ein Wunder ist unergründlich und grundlos. Quelle: Etymologisches Wörterbuch
Es gibt nur einen Weg, um die Sprache des Wassers zu verstehen und der beginnt mit meiner Haltung. Kann ich alles, was ich weiß, was ich kenne, was ich gelernt habe, vergessen oder für eine Weile beiseitelegen? Erwartungslos sein. grundlos sein. Und wenn ich dann Glück habe, komme ich ins Staunen und Wundern. Und wenn ich’s festhalten will, rinnt es davon. (Matthias Schenk)

Jeden Sommer kommst Du ins Hexenwasser. Was können wir an diesen Tagen von Dir lernen? Gibt es da Physikunterricht?

Ein Besuch im Blauen Wunder soll keine Physik-Lehrstunde über Strömungsmechanik sein. Wenn auch viele der vorgestellten Phänomene im Lehrbuch eines Hydrologen oder Hydrodynamiker stehen könnten. Wir wollen gemeinsam andere Zugänge zu diesem Wissen finden. Die jeweiligen Entdecker (wie Archimedes, …. Prandtl, von Karman, ….), mit deren Namen die Phänomene oftmals „etikettiert“ werden, haben sich zweifellos intensiv mit den Erscheinungsformen der in Betracht stehenden Vorgänge beschäftigt und haben ihre Erklärungen nach langem experimentellem Ringen und gedanklichem Durchdringen in knappe und prägnante Formulierungen gefasst. Der mühsame Weg hin zu diesen Einsichten wird uns in der Regel erspart. Das mag vordergründig hilfreich sein, beraubt uns aber unter Umständen eines vernünftigen Zugangs, weil die sinnliche Erfahrung fehlt, die Voraussetzung ist, dass der Vorgang durchschaut wird.
So kann der Hintergrund und Lösungsweg vom Betrachter oft nicht nachvollzogen werden. Die Gefahr liegt darin, dass schon beim (nachträglichen) Betrachten der Naturphänomene der „Filter“ der vereinfachenden Methode angelegt wird. Das bedeutet im besten Fall, dass bewusst ausgeblendet wird oder im schlimmeren Fall, dass die Simplifizierung ernsthaft als zutreffende Beschreibung betrachtet wird – mit den zwangsläufig daraus resultierenden Fehlschlüssen.

Ich möchte mit Euch die Phänomene des bewegten Wassers einfach und verständlich zur Anschauung bringen. Das eigens erlebte „Blaue Wunder“ soll Euch die Augen, die Ohren und überhaupt alle Sinne öffnen. Ihr sollt aus dem „Blauen Wunder“ hinausgehen und etwas mit auf den Weg nehmen, einen anderen Blick für Dinge bekommen und den Bezug zur Natur spüren.
Vielleicht regnet es grade wenn Ihr aus dem Blauen Wunder ins Freie tretet, vielleicht seht Ihr plötzlich, wie wild die Regentropfen in der Pfütze hüpfen, seht, was für ein tolles Konzert ein Platzregen macht und wie spannend ein Regentag in der Natur eigentlich ist.

Diese Möglichkeit habt Ihr den ganzen Sommer im Blauen Wunder. Aber ich freue mich, Euch an diesen Tagen als Ideengeber Frage und Antwort zu stehen.

Was fasziniert Dich mehr an Deiner Arbeit? Das Element Wasser und die Arbeit damit oder der Mensch und die Reaktionen auf Deine Projekte und Experimente?

Das Element Wasser fasziniert mich sehr, aber noch mehr faszinieren mich Kinder.
Diese kleinen Menschen kommen auf die Welt, um sie zu verbessern, mit Neugierde, Entdeckerdrang und ohne Vorurteile… und wir Erwachsenen …wir treiben es ihnen aus.
Bei Kindern kommt das Wissen noch aus dem Bauch.

Was die Kinder geben, wenn sie lernen, ist mehr als man sich wünschen kann. Schaut genau hin.

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